Seestadtpresse Bremerhaven – Die Kostenentwicklungen großer Verkehrsprojekte bieten immer wieder viel Stoff für finanzielle Kuriositätenkabinette. Daher folgen ein paar Zahlen für den Bremerhavener Hafentunnel.
Den Anlass bot mir heute (22. Juli 2014) die Nordsee-Zeitung, als sie in einer Bildunterschrift an die Kostensteigerung beim Wesertunnel erinnerte: Statt der ursprünglich veranschlagten 200 Millionen Euro waren es laut NZ am Ende 364 Millionen Euro.
Die Diskussionen über den Bremerhavener Hafentunnel reichen mittlerweile etwa anderthalb Jahrzehnte zurück – wohl im November 1999 war im Koalitionsvertrag von SPD und CDU erstmals vom „kreuzungsfreien Ausbau der Cherbourger Straße“ die Rede.
Als der Senat (so die Vorlage vom 25. März 2003) sich mit einer bloßen Unterquerung der Langener Landstraße zufrieden geben wollte, gingen die Experten für die „Tunnellösung“ von „fortgeschriebenen Bruttokosten“ in Höhe von 141,0 Millionen Euro aus.
Als 2005 von der SPD-CDU-Koalition der „halboffene Trog“ ins Rennen geschickt wurde, notierte der Magistrat in einer offiziellen Pressemitteilung für den „zunächst geplanten Hafentunnel im Zuge des Eichenwegs“ Baukosten in Höhe von 113 Millionen Euro. Der Trog sollte mit 99 Millionen Euro deutlich billiger sein. Das war knapp zwei Monate vor dem Besuch des damaligen Bundesverkehrsministers Manfred Stolpe.
Am 3. Juli 2007 verkündete die Nordsee-Zeitung die Wende: Ein „Tunnel zum Hafen unterm Eichenweg“ sei nun doch die „Vorzugsvariante“. Als Kosten wurden 110 Millionen Euro genannt.
Das kritisierte die CDU laut Weser-Kurier vom 20. Juli 2007 ganz ausdrücklich als Beispiel für die „Ungereimtheiten der Argumentation von Schulz und Holm“. Schließlich sei der Tunnel „noch vor wenigen Jahren von Fachleuten mit 141 Millionen Euro Baukosten veranschlagt worden, während es jetzt angeblich nur noch 110 Millionen Euro seien“.
Am 17. Januar 2008 tauchte im Weser-Kurier als Preis für „die von SPD und CDU für sinnvoll gehaltene Lösung“ ein Betrag von 257 Millionen Euro auf. Da ging es um einen „Bohrtunnel mit zwei Röhren“. Ein paar Wochen später meldete der Weser-Kurier dazu: „Kopfschütteln über teure Tunnelpläne“. Im Juni 2008 kam der Oberbürgermeister erfolglos aus Berlin zurück; das sei deutlich zu teuer.
Am 28. Juni 2008 berichtete der Weser-Kurier, dass der Bremerhavener Oberbürgermeister nun eine Tunnellösung für 160 Millionen Euro als die richtige bezeichnete.
Am 2. September 2008 machte der Unternehmerverein darauf aufmerksam, dass bei einem Projektvolumen von 160 Millionen Euro mit einem Kostenrisiko von 60 Millionen Euro zu rechnen sei. Das ergebe sich aus der durchschnittlichen Budgetüberschreitung vergleichbarer Projekte in Höhe von 38 Prozent. Damit stand die Zahl von 220 Millionen Euro im Raum.
Anzumerken ist, dass die CDU etwa vier Wochen vorher ebenfalls vor einem „nicht finanzierbaren Tunnel“ gewarnt hatte und folglich für den sechsspurigen Ausbau der Cherbourger Straße plädierte.
Ein halbes Jahr später (Weser-Kurier 11.2.2009) wurde darauf hingewiesen, dass zu den genannten 160 Millionen Euro auch noch die Planungskosten von 30 Millionen Euro hinzu gerechnet werden müssten – also 190 Millionen Euro. Diese Zahl wurde auch vom Magistrat in einem Schreiben vom 8. Juli 2009 bestätigt (188,7 Millionen Euro).
Laut Nordsee-Zeitung vom 2. September 2010 war dann klar: Der Tunnel sollte genau 165,94 Millionen Euro kosten. Am 22. August 2011 titelte der Weser-Kurier „Die 200-Millionen-Straße“.
Am 19. Mai 2012 war dann in der Nordsee-Zeitung von reinen Baukosten in Höhe von 171,3 Millionen Euro die Rede. Knapp ein Jahr später stand im Weser-Kurier wieder die Zahl von nur noch 160 Millionen Euro.
Im März 2014 bezifferte der Bremer Landesrechnungshof die Kosten für den Hafentunnel mit „insgesamt gut 200 Millionen Euro“. Hinzu kommen die Planungskosten von 29,2 Millionen Euro, die selbstverständlich Bestandteil der Kostenkalkulation seien. Also lautet der aktuelle Stand für die Hafentunnel-Kosten gut 230 Millionen Euro.
Nun beobachten wir interessiert, wie es mit den Kosten eines >>>überflüssigen großen Verkehrsprojekts weitergeht…
P.S. In der Nordsee-Zeitung von heute (22. Juli 2014) wurde eine Erhöhung der Kosten für das „reine Tunnelbauwerk“ von 137 auf 145,5 Millionen Euro mitgeteilt. Die „Gesamtkosten“ lägen nun bei 180 Millionen Euro. Einschließlich der Planungskosten summiere sich das auf 209,2 Millionen Euro.
P.P.S. Mein Appell an die Planer der Großprojekte: Die Kosten lassen sich durch einfallsreiche und überraschende Spezial-Zahlen noch weiter verwirren. Es könnten beispielsweise die Baukosten ohne Materialkosten genannt werden.
Interessant ist auch das Weglassen der Kosten für das Einbauen der Bauteile (so jüngst praktiziert bei der Angabe der Kosten für die neuen LED-Lampen für das Klimahaus)!