Seestadtpresse Bremerhaven – Heute gibt es auf dieser Seite nach langen Wochen des Stillhaltens mal ganz neue Töne – eine kleine plattdeutsche Geschichte für die Weihnachtszeit…
Seestadtpresse Bremerhaven – Heute gibt es auf dieser Seite nach langen Wochen des Stillhaltens mal ganz neue Töne – eine kleine plattdeutsche Geschichte für die Weihnachtszeit…
Seestadtpresse Bremerhaven – Neulich hörte ich jemanden sagen: „Klaus Rosche ist ein loyaler Eiertänzer.“ Vielleicht hat diese kritisch-liebevolle Einschätzung durchaus einen wahren Kern.
Den Anlass zu dieser Betrachtung liefert eine Pressemitteilung des Magistrats, die gestern (28. Juli 2015) unter dem Titel „Flüchtlingsbelange gemeinsam angehen – Sozialstadtrat Rosche lobt Engagement und ruft zu mehr Miteinander auf“ vom Magistrat verschickt wurde. Der Text kann >>>hier nachgelesen werden.
Wer den etwas verschwurbelt formulierten Text durchsieht, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da auf irgendetwas reagiert wird. Aber was genau diese Pressemitteilung ausgelöst hat, bleibt unerwähnt. Da sehen manche den sympathischen Eiertänzer…
Zur Erinnerung: >>>Auf diesen Seiten wurde eine heftige Kritik an der Leiterin des Bremerhavener Sozialamts veröffentlicht, die sich in Oberbürokratenmanier zur ehrenamtlichen Betreuung von Flüchtlingen geäußert hatte. Daraus ergab sich für manchen Beobachter der Eindruck, als sei amtliches Bürokratengehabe deutlich wichtiger als das Engagement der Ehrenamtlichen und die wirksame Unterstützung der Flüchtlinge.
Diesen negativen Eindruck weist Klaus Rosche in seiner Pressemitteilung nun als ganz falsch zurück. Die Unterstützung und Begleitung der Flüchtlinge sei „mehr als lobenswert“, stellt er fest, und auch die Sozialamtsleiterin preist nun das „Engagement in breiten gesellschaftlichen Schichten“. Und weiter: „Dieser ehrenamtliche Einsatz für die Flüchtlinge auf einer breiten Front entlaste auch die anderen Helfer bei ihrer Arbeit.“
Deutliche Worte also über das freiwillige Engagement der Helferinnen und Helfer von Flüchtlingen und über die Haltung der Behörden.
Aber der Kernpunkt bleibt: Wie handeln unsere Behörden tatsächlich im Umgang mit Flüchtlingen und ihren Unterstützern?
Nicht auf dem Feld der schönen Worte ist das Entscheidende zu finden, sondern auf dem Feld des Handelns unserer Behörden.
Genau auf diesem Feld des Handelns haben große Teile der Behörden bisher versagt. Dafür gibt es auch in Bremerhaven – trotz mancher positiver Gegenbeispiele – zahlreiche negative Belege.
Wenn sich diese praktischen Umgangsformen jetzt tatsächlich ändern, ist manches gewonnen. Vielleicht hat dazu auch die spürbare Empörung der Ehrenamtlichen einen Beitrag geleistet…
Anmerkung: Dass diese Rosche-Pressemitteilung ohne Kenntnis der Hintergründe nicht so recht zu verstehen ist, zeigt sich auch daran, dass die Nordsee-Zeitung heute (29. Juli 2015) nicht darüber berichtet hat.
Die Redaktion müsste dann auch über den vorausgegangenen Protest berichten, aber das geht ja bekanntlich nicht so einfach…
Seestadtpresse Bremerhaven – Durch das Sonntagsjournal konnte die Bremerhavener Öffentlichkeit erfahren, dass die große Koalition künftig kein Geld mehr für die Freiwilligenagentur bereitstellen möchte, während beispielsweise die beiden großen Sportvereine weiter mit Beträgen in Millionenhöhe gefördert werden. So steht es im Koalitionsvertrag.
In einer plattdeutschen Glosse im Weser-Kurier wird geargwöhnt, diese Entscheidung könne auch mit Kreisen in der SPD zusammenhängen, die auf ähnlichen Feldern aktiv sind und die sich eine Art von Konkurrenz vom Halse schaffen möchten.
Ich frage einfach mal, ob so etwas in einer Stadt wie Bremerhaven tatsächlich möglich ist, dass SPD-Leute sich aktiv dafür einsetzen, eine erfolgreich arbeitende soziale Einrichtung auf ehrenamtlicher Basis auszuschalten.
Und ich frage auch, ob ein solcher Beschluss in Zeiten des Lobpreisens ehrenamtlicher Arbeit tatsächlich Bestand haben darf.
Es folgt der Text, der am 23. Juli 2015 im Weser-Kurier erschienen ist.
Polit-Salaat
Annerletz weer de Oole to’n groote Fier inlaadt. De Arbeitnehmerkammer mook ehr Sommerfest in dat neeje Bowark in Bremerhaben. Direktemang an’t Water vun den Neejen Haben kunnen de Lüüd snacken un snabbeleeren, un se kunnen sik ook ’n paar Anspraken anhören.
Mehrstendeels is dat mit Anspraken bi so’n Fier ’n verdreihte Saak, dach de Oole. Allens töövt, dat se to Ennen sünd. Allens lengt na dat Vergnögen mit Eten un Drinken un Räsoneeren. Bi düsse Snackeree wannert veele Gedanken twischen de Minschenköpp hen un her. Un liekers höört de Anspraken to so’n Fier doorto. Se sett sowat as ’n Grundtoon un bringt Saken op ‚t Tapeet, de in düsse Tieden vun Bedüden sünd.
Dütmaal weer in de Anspraken een wichtigen Punkt, dat de Minschen bi uus beter in Arbeit bröcht ward. Door weern sik de klooken Lüüd eenig: Wi bruukt mehr Lüüd in Arbeit, eendoon of se bi uus groot worrn sünd or of se vun butenlands op de Flucht na Düütschland kamen sünd.
De Oole höör sik dat an un weer tofreden. Dat weer ook sien Meenen, dat veele Minschen Help bruukt op düssen Weg in Arbeit – villicht mehr Help as in fröhere Jahren. To’n Glück meldt sik middewielen veele Lüüd, de doorbi ut freeje Stücken helpen doot un de doorför keen Geld nich hebben wüllt. „Ehrenamtlich“ nöömt wi sowat.
Dat gifft bi düt ehrenamtliche Mitmoken bloots een Knütten: Dat mutt ’n Placken geben, woneem de Lüüd afsnacken köönt, woans se ehr Arbeit as Helperslüüd organiseeren wüllt. För so’n Kontoor mit Sekretariat or sowat – un bloots doorför – mutt Geld ut de allgemeene Kass kamen.
Tja, dach de Oole, un jüst door liggt oftins de Haas in’n Salaat, denn düsse Kassen sünd in de lesten Jahren vermuckt tosamen schrumpelt worrn. So gifft dat Striet üm dat Geld, denn wat de eenen Ehrenamtlichen kriegt, dat is för de annern nich mehr door.
So hett to’n Bispill in Bremerhaben de neeje groote Koalitschoon vun SPD un CDU dat Geld för de Freiwilligenagentur mit den grooten roden Pinsel wegstreken. In düsse Inrichtung rackert jüst de Minschen, de to’n Bispill junge Lüüd bi dat Lehren för ehr Utbilden helpen doot. De Oole hett höört, dat düt Wegstrieken woll Lüüd in de SPD topass keem. Se kunnen sik ’n „Konkurrenz“ vun’n Hals schaffen, denn se sünd ook op düt Flach in de Gangen. Un de Oole wüss: To glieke Tiet kriegt de beiden grooten Vereenen vun Eishockey un Basketball in jeedeen Jahr ’n Millionen-Euro-Bedrag ut de Stadtkass, un dat schall na den Willen vun de Koalitschoon eerstmaal ook so blieben.
Dat gifft jümmers Lüüd, de snackt veel rüm, grummel de Oole. Man wenn’t an’t Doon geiht, denn steiht dat Trechtmoken un Utstaffeeren vun den eegen Salaat wiet vörn.
Un de „Ehrenamtlichen“ un de Minschen, de Help bruukt? De bekiekt sik denn mit ’n Koppschüddeln düssen smeerigen Polit-Salaat un mookt ’n lange Nääs.
Sowat is’n Jammer, meen de Oole.
Seestadtpresse Bremerhaven – Der folgende Nachruf auf Ronald Franke wurde von Elke Grapenthin verfasst. Durch einen >>>Klick an dieser Stelle geht es zur Webseite des Malers, auf der auch die im Nachruf angesprochenen „Goldbilder“ zu sehen sind.
Nachruf auf Ronald Franke
Am 31.1.2015 starb der in Köln lebende Städte-, Häfen und Flusslandschaftenmaler Ronald Franke, der auch in Bremerhaven kein Unbekannter war. Er wurde nur 54 Jahre alt.
Franke, der von 1982 bis 88 an der Kölner Kunsthochschule studierte und Meisterschüler von Dieter Kraemer war, trat früh mit seinen Werken an die Öffentlichkeit und erhielt bald Preise und Stipendien für Auslandsaufenthalte und wurde von renommierten Galerien vertreten. Jährlich beteiligte er sich durchschnittlich an vier Ausstellungen sowie an Kunstmessen.
Seit 1984 fuhr der Maler wiederholt auf Binnenschiffen mit, um das Geschehen auf Flüssen und Kanalen zu dokumentieren, ein mehrjähriges Projekt, das ihn 1999 auch von Moskau nach St. Petersburg führte. Bereits im November 1989 holte ihn der damalige Direktor des Schifffahrtsmuseums, Gert Schlechtriem, zur Vorbereitung einer für 1990 geplanten Ausstellung mit deutschen Flusslandschaften und Seestadt-Bildern nach Bremerhaven. Vom Wilke-Atelier aus startete der 29jährige mit einem VW-Bus voller Malutensilien seine Entdeckungstouren, malte trotz eisiger winterlicher Temperaturen draußen, v.a. im Hafen.
Ronald Franke war einer der ersten Gastkünstler in Bremerhaven, der den Anwohnern mit seinen Bildern von Lagerschuppen, Schleusen, Kränen und Autotransportern vor Augen führte, was diese Stadt zu bieten hat. Die Ausstellung im Schiffahrtsmuseum wurde ein großer Erfolg und Franke verkaufte viele Bremerhavenmotive – an Museen, Geschäftsleute, private Kunstliebhaber.
Schon im März 1990 kam er wieder in das Atelier am Alten Vorhafen. Von Juni bis Oktober führte er Bilder im Auftrag des Motorenwerk Bremerhaven aus, und von November 1990 bis zum Februar 1991 richtete er sich auf Wunsch des Magistrats ein Atelier im Radarturm ein, um die Stadt am Meer von oben festzuhalten. Am Ende präsentierte er die entstandenen Werke im Wilke-Atelier.
Er hatte Leinwände in unterschiedlichen Formaten verwandt, von klein bis so groß, dass er manche Rahmen der Größe wegen an beiden Längsseiten hatte ansägen müssen, um sie im Fahrstuhl des Turms nach unten transportieren zu können. Frankes stark abstrahierte und auf wenige Farben reduzierte Bilder, die unterschiedliche Lichtverhältnisse und Tageszeiten an der Wesermündung und Geesteeinfahrt wider spiegelten, fanden großen Anklang. Zwei der großformatigen Gemälde, die Bremerhaven zu etwas Besonderem machten und in einem neuen Licht erscheinen ließen, befinden sich heute im Sitzungssaal des Magistrats.
Ronald Franke – inzwischen auch international anerkannt und erfolgreich – kehrte noch häufiger in die Region zurück. 2002 entstanden Bilder vom Umland Bremerhavens, von Äckern und Feldern. Und er malte die Windkrafträder, die für ihn die Umgebung der Stadt radikal verändert hatten, zeigte völlig andere Werke als bisher.
Obgleich das sein letzter längerer Aufenthalt in der Region war, fand er selbst, dass seine Begegnung und Auseinandersetzung mit der Seestadt ihn all das gelehrt hatte, was für seine späteren Städtelandschaften wesentlich war: Ob es sich um Köln, Hamburg, New York , Kyoto oder Kapstadt handelte – es ging ihm darum, „eine Stadt als gesamtes Gefüge zu begreifen“, um das Besondere an ihr wiedergeben zu können. Seine dynamischen Stadtimpressionen fangen Straßenkreuzungen und Häuserschluchten an markanten Punkten und häufig aus der Froschperspektive ein.
Trotz seiner schweren Krankheit, mit der er sehr offen umging, malte Franke bis kurz vor Ende des Jahres 2014 immer noch unentwegt, unterstützt von Assistenten, die Vorarbeiten vornahmen. Riesige Kreise und Spiralen – Brücken und Hochstraßen ähnlich – ziehen sich durch diese neuen Bilderlandschaften, die allein auf die Farben Gold und Grau beschränkt sind und auf eine Größe von 3 m x 5 m anwuchsen. Unter dem Titel El Dorado wurden sie in Stuttgart präsentiert. Mit der Idee, sich dem Farbton Gold zu widmen im Kontrast zum Grau, gelang es Franke nach der Krebsdiagnose weiterzuarbeiten. Die Unendlichkeit – symbolisiert durch das Gold, die perfekte Endlichkeit in den runden Formen und die Nähe des Todes in den Grautönen – viele seiner Empfindungen und Gedanken über seine Situation konnte er in diese Bilder einfließen lassen.
Elke Grapenthin (E.G.)
Seestadtpresse Bremerhaven – Ein Politologe der TU Dresden hat laut Weser-Kurier vom 4. Februar 2015 „die bisher gründlichste Pegida-Studie vorgelegt“. Das Ergebnis laut WK: „Die… Bewegung besteht hauptsächlich aus ‚besorgten und empörten Gutwilligen‚.“ Die Nordsee-Zeitung setzt den Akzent auf derselben Informationsbasis ganz anders: „Viele Pegida-Anhänger extrem rechts“.
Spiegelt sich in solchen geradezu gegensätzlichen Akzenten eigentlich eine politische Haltung der Redaktion?
Oder hängt es nur davon ab, welche politische Einstellung der jeweilige Redakteur zu dieser Problematik hat?
Oder ist die Wahrheit so biegsam, dass auch solche gegensätzlichen Darstellungen ohne Probleme zu rechtfertigen sind?
Eine denkbare Lehre: Leserinnen und Leser müssen in jedem Fall genau hinkucken, auf welche Figuren sie sich in unseren Medien jeweils verlassen sollen – und auf welche sie sich wirklich verlassen können.
Seestadtpresse Bremerhaven – Vermutlich hat die Nordsee-Zeitung in ihrer bekannten Sorgfalt längst über Volker Heigenmoosers Offenen Brief zum Jeanette-Schocken-Preis berichtet. Aber sicherheitshalber kommen hier auch noch einige Informationen über die von ihm geäußerte Kritik.
Die Kritik des Publizisten und Kritikers Volker Heigenmooser zielt nicht auf die Qualitäten des diesjährigen Preisträgers Gerhard Roth – im Gegenteil.
Ihm geht es um eine grundsätzliche Frage. Laut Statut verbindet der Preis nämlich „mit dem Bekenntnis zur verbotenen und verbrannten, zur unterdrückten und ausgegrenzten Literatur… die Ermutigung an alle schreibenden Künstler, deren Literatur für dieses Bekenntnis steht, und die deshalb selbst der Förderung, Hilfe oder Anerkennung bedürfen“.
Daher Heigenmoosers Frage: „Bedarf denn einer der angesehensten Autoren Österreichs tatsächlich einer solchen Ermutigung durch den Schocken-Preis?“
Gäbe es wirklich keine Alternativen beim Blick auf die sich „heute vor unseren Augen abspielenden Tragödien verfolgter Autorinnen und Autoren, die in unserem Land Zuflucht suchen und die zum Teil auf ästhetisch höchst ambitionierte Weise ihre Erfahrungen in Literatur übertragen“?
Im Folgenden kann der Brief vom 25. Januar 2015 in voller Länge nachgelesen werden – durch einen Klick auf den Link >>>Jury-Brief-1.
Seestadtpresse Bremerhaven – Der Aufruf gegen die bedenkenlose Propagierung militärischer Konfrontationen in Europa ist meiner Ansicht nach sehr bemerkenswert.Wie die angehängte Namenliste zeigt, wurde er inzwischen von einer bunten Reihe bekannter Persönlichkeiten unterzeichnet, u.a. von Georg Schramm, Burkhard Hirsch und Antje Vollmer. Auffällig ist, dass der Aufruf in den deutschen Medien nur wenig Beachtung gefunden hat. Wer den Aufruf unterschreiben will, kann hier klicken.
Niemand will Krieg. Aber Nordamerika, die Europäische Union und Russland treiben unausweichlich auf ihn zu, wenn sie der unheilvollen Spirale aus Drohung und Gegendrohung nicht endlich Einhalt gebieten. Alle Europäer, Russland eingeschlossen, tragen gemeinsam die Verantwortung für Frieden und Sicherheit. Nur wer dieses Ziel nicht aus den Augen verliert, vermeidet Irrwege.
Der Ukraine-Konflikt zeigt: Die Sucht nach Macht und Vorherrschaft ist nicht überwunden. 1990, am Ende des Kalten Krieges, durften wir alle darauf hoffen. Aber die Erfolge der Entspannungspolitik und der friedlichen Revolutionen haben schläfrig und unvorsichtig gemacht. In Ost und West gleichermaßen. Bei Amerikanern, Europäern und Russen ist der Leitgedanke, Krieg aus ihrem Verhältnis dauerhaft zu verbannen, verloren gegangen. Anders ist die für Russland bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens nach Osten ohne gleichzeitige Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau, wie auch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Putin, nicht zu erklären.
In diesem Moment großer Gefahr für den Kontinent trägt Deutschland besondere Verantwortung für die Bewahrung des Friedens. Ohne die Versöhnungsbereitschaft der Menschen Russlands, ohne die Weitsicht von Michael Gorbatschow, ohne die Unterstützung unserer westlichen Verbündeten und ohne das umsichtige Handeln der damaligen Bundesregierung wäre die Spaltung Europas nicht überwunden worden. Die deutsche Einheit friedlich zu ermöglichen, war eine große, von Vernunft geprägte Geste der Siegermächte. Eine Entscheidung von historischer Dimension. Aus der überwundenen Teilung sollte eine tragfähige europäische Friedens- und Sicherheitsordnung von Vancouver bis Wladiwostok erwachsen, wie sie von allen 35 Staats- und Regierungschefs der KSZE-Mitgliedsstaaten im November 1990 in der „Pariser Charta für ein neues Europa“ vereinbart worden war. Auf der Grundlage gemeinsam festgelegter Prinzipien und erster konkreter Maßnahmen sollte ein „Gemeinsames Europäisches Haus“ errichtet werden, in dem alle beteiligten Staaten gleiche Sicherheit erfahren sollten. Dieses Ziel der Nachkriegspolitik ist bis heute nicht eingelöst. Die Menschen in Europa müssen wieder Angst haben.
ihrer Verantwortung für den Frieden in Europa gerecht zu werden. Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik für Europa. Das geht nur auf der Grundlage gleicher Sicherheit für alle und mit gleichberechtigten, gegenseitig geachteten Partnern. Die deutsche Regierung geht keinen Sonderweg, wenn sie in dieser verfahrenen Situation auch weiterhin zur Besonnenheit und zum Dialog mit Russland aufruft. Das Sicherheitsbedürfnis der Russen ist so legitim und ausgeprägt wie das der Deutschen, der Polen, der Balten und der Ukrainer.
Wir dürfen Russland nicht aus Europa hinausdrängen. Das wäre unhistorisch, unvernünftig und gefährlich für den Frieden. Seit dem Wiener Kongress 1814 gehört Russland zu den anerkannten Gestaltungsmächten Europas. Alle, die versucht haben, das gewaltsam zu ändern, sind blutig gescheitert – zuletzt das größenwahnsinnige Hitler-Deutschland, das 1941 mordend auszog, auch Russland zu unterwerfen.
als vom Volk beauftragte Politiker, dem Ernst der Situation gerecht zu werden und aufmerksam auch über die Friedenspflicht der Bundesregierung zu wachen. Wer nur Feindbilder aufbaut und mit einseitigen Schuldzuweisungen hantiert, verschärft die Spannungen in einer Zeit, in der die Signale auf Entspannung stehen müssten. Einbinden statt ausschließen muss das Leitmotiv deutscher Politiker sein.
ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachzukommen als bisher. Leitartikler und Kommentatoren dämonisieren ganze Völker, ohne deren Geschichte ausreichend zu würdigen. Jeder außenpolitisch versierte Journalist wird die Furcht der Russen verstehen, seit NATO-Mitglieder 2008 Georgien und die Ukraine einluden, Mitglieder im Bündnis zu werden. Es geht nicht um Putin. Staatenlenker kommen und gehen. Es geht um Europa. Es geht darum, den Menschen wieder die Angst vor Krieg zu nehmen. Dazu kann eine verantwortungsvolle, auf soliden Recherchen basierende Berichterstattung eine Menge beitragen.
Am 3. Oktober 1990, am Tag der Deutschen Einheit, sagte Bundespräsident Richard von Weizsäcker: „Der Kalte Krieg ist überwunden. Freiheit und Demokratie haben sich bald in allen Staaten durchgesetzt. … Nun können sie ihre Beziehungen so verdichten und institutionell absichern, dass daraus erstmals eine gemeinsame Lebens- und Friedensordnung werden kann. Für die Völker Europas beginnt damit ein grundlegend neues Kapitel in ihrer Geschichte. Sein Ziel ist eine gesamteuropäische Einigung. Es ist ein gewaltiges Ziel. Wir können es erreichen, aber wir können es auch verfehlen. Wir stehen vor der klaren Alternative, Europa zu einigen oder gemäß leidvollen historischen Beispielen wieder in nationalistische Gegensätze zurückzufallen.“
Bis zum Ukraine-Konflikt wähnten wir uns in Europa auf dem richtigen Weg. Richard von Weizsäckers Mahnung ist heute, ein Vierteljahrhundert später, aktueller denn je.
Mario Adorf, Schauspieler
Robert Antretter (Bundestagsabgeordneter a. D.)
Prof. Dr. Wilfried Bergmann (Vize – Präsident der Alma Mater Europaea)
Luitpold Prinz von Bayern (Königliche Holding und Lizenz KG)
Achim von Borries (Regisseur und Drehbuchautor)
Klaus Maria Brandauer (Schauspieler, Regisseur)
Dr. Eckhard Cordes (Vorsitzender Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft)
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Bundesministerin der Justiz a.D.)
Ukraine-Krise: „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“
Eberhard Diepgen (ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin)
Dr. Klaus von Dohnanyi (Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg)
Alexander van Dülmen (Vorstand A-Company Filmed Entertainment AG)
Stefan Dürr (Geschäftsführender Gesellschafter und CEO Ekosem-Agrar GmbH)
Dr. Erhard Eppler (Bundesminister für Entwicklung und Zusammenarbeit a.D.)
Prof. Dr. Dr. Heino Falcke (Propst i.R.)
Prof. Hans-Joachim Frey (Vorstandsvorsitzender Semper Opernball Dresden)
Pater Anselm Grün (Pater)
Sibylle Havemann (Berlin)
Dr. Roman Herzog (Bundespräsident a.D.)
Christoph Hein (Schriftsteller)
Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch (Bundestagsvizepräsident a.D.)
Volker Hörner (Akademiedirektor i.R.)
Josef Jacobi (Biobauer)
Dr. Sigmund Jähn (ehemaliger Raumfahrer)
Uli Jörges (Journalist)
Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann (ehemalige EKD Ratsvorsitzende und Bischöfin)
Dr. Andrea von Knoop (Moskau)
Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz (ehemalige Korrespondentin der ARD in Moskau)
Friedrich Küppersbusch (Journalist)
Vera Gräfin von Lehndorff (Künstlerin)
Irina Liebmann (Schriftstellerin)
Dr. h.c. Lothar de Maizière (Ministerpräsident a.D.)
Stephan Märki (Intendant des Theaters Bern)
Prof. Dr. Klaus Mangold (Chairman Mangold Consulting GmbH)
Reinhard und Hella Mey (Liedermacher)
Ruth Misselwitz (evangelische Pfarrerin Pankow)
Klaus Prömpers (Journalist)
Prof. Dr. Konrad Raiser (eh. Generalsekretär des Ökumenischen Weltrates der
Kirchen)
Jim Rakete (Fotograf)
Gerhard Rein (Journalist)
Michael Röskau (Ministerialdirigent a.D.)
Eugen Ruge (Schriftsteller)
Dr. h.c. Otto Schily (Bundesminister des Inneren a.D)
Dr. h.c. Friedrich Schorlemmer (ev. Theologe, Bürgerrechtler)
Georg Schramm (Kabarettist)
Gerhard Schröder (Bundeskanzler a.D.)
Philipp von Schulthess (Schauspieler)
Ingo Schulze (Schriftsteller)
Hanna Schygulla (Schauspielerin, Sängerin)
Dr. Dieter Spöri (Wirtschaftsminister a.D.)
Prof. Dr. Fulbert Steffensky (kath. Theologe)
Dr. Wolf-D. Stelzner (geschäftsführender Gesellschafter: WDS-Institut für Analysen
in Kulturen mbH)
Dr. Manfred Stolpe (Ministerpräsident a.D.)
Dr. Ernst-Jörg von Studnitz (Botschafter a.D.)
Prof. Dr. Walther Stützle (Staatssekretär der Verteidigung a.D.)
Prof. Dr. Christian R. Supthut (Vorstandsmitglied a.D. )
Prof. Dr. h.c. Horst Teltschik (ehemaliger Berater im Bundeskanzleramt für
Sicherheit und Außenpolitik)
Andres Veiel (Regisseur)
Dr. Hans-Jochen Vogel (Bundesminister der Justiz a.D.)
Dr. Antje Vollmer (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a.D.)
Bärbel Wartenberg-Potter (Bischöfin Lübeck a.D.)
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (Wissenschaftler)
Wim Wenders (Regisseur)
Hans-Eckardt Wenzel (Liedermacher)
Gerhard Wolf (Schriftsteller, Verleger)
Der Text wurde hier in der Fassung von ZEIT ONLINE 08.12.14 16:07 /
http://www.zeit.de/politik/2014-12/aufruf-russland-dialog übernommen.
Seestadtpresse Bremerhaven – Der israelische Journalist und Schriftsteller Uri Avnery setzt sich sein Leben lang für einen Ausgleich in Palästina und Israel ein. Seine >>>Webseite „Der Frieden zwischen Israel und Palästina ist möglich“ liefert vielfältige Belege dafür.
Der hier mit seiner ausdrücklichen Zustimmung veröffentlichte neue Text Uri Avnerys macht deutlich, wie wichtig eine Unterscheidung zwischen den Rechtsextremen und den Friedenskräften im heutigen Israel ist. Dieser Text beantwortet auf berührende Weise die Frage, mit welchem Ziel ich mich mit Israel beschäftige.
Ich liebe Achinoam Nini. Ich liebe sie aus der Ferne. Ich bin ihr niemals begegnet. Ich liebe sie für das, was sie vor ein paar Wochen tat.
Vor ein paar Wochen hatte die israelische Organisation der Komponisten und Schriftsteller ihr einen Preis für ihr Lebenswerk verliehen. Obgleich sie erst 44 Jahre alt ist, hat sie ihn sicherlich verdient. Sie ist eine wunderbare Sängerin.
Noa (wie sie im Ausland genannt wird,) tat etwas sehr Ungewöhnliches: Sie verweigerte den Preis.
Ihr Grund ein anderer: der Sänger, Ariel Silber sollte dieselbe Auszeichnung erhalten.
Noa ist eine unverblümte Linke. Silber gehört ausgesprochenermaßen zum rechten Flügel. Ist dies ein Grund, einen Preis abzulehnen?
Durch das Land ging ein Aufschrei. Wie kann sie es nur wagen? Wie ist es mit der Redefreiheit? Wie ist es mit der künstlerischen Freiheit?
Der rechte Flügel denunzierte sie lautstark. Diesem schlossen sich viele rechtschaffene Linke an. Es stimmt – sagen sie – Silber ist ein Rechter, aber die Demokratie verlangt „Redefreiheit gilt allen“, sogar – und besonders – jenen, die anstößige Ansichten vertreten.
Sogar der alte Voltaire wurde in den Streit verwickelt: „Ich missbillige das, was du sagst, aber ich würde bis zum Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.“
WAS HAT Silber gesagt, das Noa dahin brachte, sich zu weigern, mit ihm auf demselben Podium zu stehen?
Zuerst wegen einer Sache: Er drückte seinen tiefen Hass gegen Homosexuelle aus. „Ein Homo zu sein, ist eine Perversion“, erklärte er und verlangte, dass sie aus der Gesellschaft ausgestoßen werden.
Nicht nur sie. Auch alle säkularen Leute. „Die Säkularen haben nichts zu bieten, außer, dass sie AIDS-krank sind und sich an nackten Frauen erfreuen. Pfui!“
Schwule, Lesben und Säkulare sind nicht die einzigen Verdammten. Die Linken können sogar schlimmer sein. „ Alle Linken sollten vertrieben und in die Hölle gejagt werden. Sie sind Amalek“. Wie jeder Jude weiß, hat Gott den Kindern Israels den Befehl gegeben, alle Amalekiter zu töten, so dass ihr Name für immer gelöscht sein solle. König Saul, ein Nationalheld, wurde vom Propheten Samuel vom Thron gestürzt, weil er nicht alle amalekitischen Gefangenen, Männer, Frauen und Kinder, getötet habe.
Aber dies ist nur ein Teil von Silbers Weltanschauung. Er glaubt auch, dass Yigal Amir, der Mörder von Yitzhak Rabin, sofort aus dem Gefängnis entlassen werden solle.
Er lobte Baruch Goldstein, den Siedler, der 29 betende Muslime in der Hebroner Abrahams-Moschee (von Juden die „Höhle Machpela“ genannt) mordete.
Er sympathisiert auch mit den Rächern, den Ku Klux Klan-Siedlern, die nachts rausgehen, um die wehrlosen arabischen Dorfbewohner zu terrorisieren. Sie tun recht daran, weil „die Araber nichts wert“ sind. Sie können nichts anderes als töten.
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, proklamierte Silber: „Kahane hatte Recht.“ Rabbi Meir Kahane wurde vom Obersten Gerichtshof Israels als Faschist verurteilt, und seine „Kach“-Bewegung wurde verboten – ein fast einmaliges Urteil, was Juden betraf. Um die Sache abzurunden: Silber schrieb und komponierte auch ein Lied zu diesem Thema.
Verdient diese Person den Schutz der Redefreiheit? Juden in aller Welt verurteilen die französische Regierung, die den widerwärtigen Antisemiten, der sich selbst Donnedieu M’bala M’bala (französischer Komiker) nennt, den Erfinder des Neo-Nazi „grenelle“-Grußes. Aber dieser Demagoge ist ein Moderater, verglichen mit Silber.
Sollte Noa auf demselben Podium mit dieser „Gabe Gottes“ erscheinen? Oder, wenn sie vor drei Generationen in der deutschen Weimarer Republik gelebt hätte, zusammen mit einem albernen Demagogen Adolf Hitler? Und hätten unsere sensiblen Demokraten sie wegen ihrer Weigerung verurteilt?
NUN ICH bewundere sie. Ihre Tat war Selbstlosigkeit. Sie brachte ein großes Opfer mit dem, was sie tat. Sie wird vom ganzen rechten Publikum boykottiert werden. Sie wird zu Festspielen von Organisatoren nicht eingeladen, die das große Zittern bekommen, wenn sie an den Verlust der Regierungszuschüsse denken.
Ich erinnere mich, dass vor nur 45 Jahren nach dem Ausbruch der 1. Intifada eine sehr große Demonstration für Frieden auf dem Platz stattfand, der später der Rabin-Platz in Tel Aviv wurde. Praktisch alle Künstler waren dort. Künstler stritten untereinander um ihr Recht, dort zu erscheinen.
Diese Zeiten sind seit langem vergangen. Selbst wohl bekannte linke Künstler sind jetzt ängstlich, ihre Meinung auszudrücken. Gott bewahre. Es könnte sie in den finanziellen Ruin führen.
Woher fand Noa den Mut, aufzustehen und sich zu weigern? Ihre beiden Eltern sind Jemeniten – seltsam genug: Auch Silvers Mutter war Jemenitin. In meiner Jugend war sie eine berühmte Sängerin. Es war eine Regel: Jemeniten – wie alle orientalischen Juden – tendierten politisch zum rechten Flügel. Die Lösung des Rätsels mag sein, dass sie in den US aufwuchs, wo ihr Vater arbeitete. Da sie dort in den 70er und 80er-Jahren in jüdischen Schulen aufwuchs, hat sie gewisse Werte aufgenommen.
Ich mag sie.
ICH LIEBE Anat Kim.
Anat war Soldatin. Auf Grund ihrer militärischen Pflichten hatte sie Zugang zu geheimen Dokumenten. Sie kopierte 2000 Dokumente, die offensichtlich Kriegsverbrechen betrafen, die von israelischem Soldaten begangen wurden. Sie gab sie einem Reporter von Haaretz. Die Zeitung veröffentlichte den geheimen Bericht über einen solchen Vorfall. Ermittlungsbeamte der Armee entdeckten die Quelle.
Nach fast zwei Jahren Hausarrest wurde Anat zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Nach einem Revisionserfahren, wurde diese auf vier Jahre reduziert. Letzte Woche wurde sie nach zwei Jahren und zwei Monaten im Gefängnis, auf Bewährung frei gelassen. Ein paar Tage später enthüllte sie ihre gegenwärtige Meinung in einem Zeitungsinterview.
Es liest sich gut. Anat ist sehr intelligent und aufmerksam. Die Beschreibung ihrer Gefängniserfahrung ist lebendig und faszinierend. Es scheint, dass die Gefängnisbehörden sie vergleichsweise gut behandelt haben. Bevor sie das Gefängnis betrat, hatte sie große Angst, geschlagen oder vergewaltigt zu werden. Doch die Insassen des Frauengefängnisses, wenn auch meistens primitive Patrioten, achteten nicht auf ihre verräterische Vergangenheit und mit wenigen Ausnahmen nahmen sie sich ihrer an. Frauen, die ihre Kinder oder Liebhaber umgebracht hatten, baten um ihre Mithilfe beim Schreiben von Petitionen. Anat scheint eine Person mit viel Einfühlungsvermögen zu sein.
Sie ist gegenüber Haaretz und dem Reporter verbittert, der, wie sie annimmt, aus Angst ihr Vertrauen missbraucht hatte. Man könnte auch gegenüber dem Friedenslager im Allgemeinen verbittert sein, das so ängstlich war, dass fast keiner seine / ihre Stimme erhob, um ihre mutige Tat zu verteidigen.
Was mich traurig machte, ist ihre Reue. Sie erklärt in einem Interview, es tue ihr leid, was sie getan hat.
Ich bin davon überzeugt, dass es ihr wegen des hohen Preises, den sie zahlte, nicht leid tut. Im Alter von 28 Jahren muss sie ihr Leben neu beginnen, gebrandmarkt als Verräter ihres Volkes. Vier kostbare Jahre sind ihr gestohlen worden. Sie weigert sich, auszuwandern. „Warum sollte ich? Dies ist meine Heimat!“erklärt sie.
Was sie ihre Tat bedauern lässt, ist die Überzeugung, dass sie sinnlos war. Sie denkt, dass ungleich den Enthüllungen ihrer amerikanischen Kameraden Edward Snowden und Chelsea Manning, die die Welt veränderten, ihre eigene Tat keine Früchte brachte. Sie hat nichts verändert.
Ich möchte ihrer Überzeugung widersprechen. Es stimmt nicht. Mutige Taten wie diese, von engagierten Leuten begangen, sind nie sinnlos. Sie sind vorbildlich. Sie ermutigen andere. Sie sagen etwas über das menschliche Gewissen aus. Sie säen eine Saat. Genau wie das Meer, das aus vielen Tropfen besteht, bauen sich historische Veränderungen aus vielen, vielen individuellen Taten auf.
„Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, verändern sie das Gesicht der Erde.“
ICH LIEBE Daphne Leef.
Sie ist eine junge Frau – wie Anat, ist sie 28 Jahre alt – die wütend über die hohe Miete, die von ihr verlangt wird, ein Zelt nahm und in einer der Boulevards im Zentrum von Tel Aviv aufstellte, um darin zu leben. Der Protest wuchs spontan und erreichte eine wie nie zuvor dagewesene Massendemonstration von 400 000 Leuten.
Die Bewegung hatte eine Auswirkung auf die Wahlen im letzten Jahr. Yair Lapid, eine TV-Persönlichkeit, die nichts tat, um den Demonstranten zu helfen, aber ihren Slogan aufnahm, gewann viele Stimmen bei der Wahl. Zwei von Daphnis Mitdemonstranten wurden in die Knesset gewählt. Doch die Öffentlichkeit hat Daphni selbst vergessen.
Ich sprach nie mit ihr, wenn man von ein paar Worten während einer Demonstration absieht. Ich kritisierte sie, dass sie große, nationale Probleme ignoriert, wie die Besatzung, und sich auf den Preis von Wohnungen und Käse konzentriert.
In dieser Woche erschien sie wieder – auf der Anklagebank vor Gericht. Obwohl alle Demonstrationen streng gewaltfrei gewesen waren, fand in einer von ihnen etwas Stoßen und Schubsen statt. Die Polizei misshandelte Daphni; ihr Arm war verletzt. Aber wie gewöhnlich, gab die Polizei Daphni die Schuld; sie habe Polizisten angegriffen und die öffentliche Ordnung gestört.
Der Richter lehnte den Fall ab.
ICH LIEBE diese drei Frauen, weil sie uns zeigen, dass wir in Israel junge Leute haben, die ihrem Gewissen gehorchen. Sie machen uns stolz darauf, Israelis zu sein.
Solange wir junge Leute dieser Art haben, bereit, für Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit aufzustehen, Risiken auf sich zu nehmen und persönliche Opfer zu bringen, hat Israel eine Zukunft.
Für mich sind sie das wirkliche Israel.
(Übersetzung aus dem Englischen von Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert. Der Text erscheint in der Seestadtpresse mit persönlicher Autorisierung durch Uri Avnery) (Die englische Fassung des Textes ist nach einem >>>Klick an dieser Stelle nachlesbar.)
Seestadtpresse Bremerhaven – Stadtentwicklung ist ein zentrales Thema für alle Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt. Immer wieder sind große Strömungen zu beobachten, beispielsweise die nun endgültig ad absurdum geführte Vorstellung von einer „autogerechten Stadt“. Heute steht bekanntlich allerorten „der Mensch“ im Mittelpunkt.
Aber auch da kommt es auf die konkreten Weichenstellungen und Entwicklungen an.
„Von der Wiederkehr der verbotenen Stadt“ sprach am 10. Februar 2014 in der Süddeutschen Zeitung ein Kunsthistoriker in einem Interview. Er kritisierte mit deutlichen Worten das Abschließen einer Siedlung gegen „das Wohngewebe der Umgebung“ und meinte damit die sogenannten „gated cities“ (also das wirklich mit einem bewachten Tor nach außen verbarrikadierte Wohnen reicher Leute).
So etwas entstehe, „wo sich risikofreies, schichtenrein praktiziertes Ausleben von Reichtum von Kriminalität oder auch nur Kritik bedroht sieht“. In zunehmendem Maße sei das weltweit zu beobachten, und der Experte für Architektur nannte das „Axthiebe an den Wurzeln der europäischen Stadt“.
Ich würde diese Charakterisierung als „Axthiebe“ nicht nur auf (im Wortsinn) abgeschlossene Quartiere begrenzen, sondern ausweiten auf alle Wohnquartiere, die sich „schichtenrein“ entwickeln – sowohl in heruntergekommenen Quartieren für ärmere Schichten als auch in Luxusquartieren für reichere Schichten, wie sie in Bremerhaven beispielsweise rund um den Neuen Hafen in der Stadtmitte entstanden sind.
Dieses Quartier habe ich hier >>>in der Seestadtpresse als „ein Mahnmal der sozialen Spaltung unserer Stadt“ bezeichnet – ein exklusives Luxusquartier ohne irgendwelche sozialen Einsprengsel, das seinerzeit unter Federführung eines entschlossenen SPD-Oberbürgermeisters massiv öffentlich gefördert wurde.
Ein Element dieser öffentlichen Förderungsstrategie war das geschickt inszenierte Umlenken von EU-Geldern für Lehe an den Neuen Hafen, der einfach trickreich zum Bestandteil eines sozial problematischen Projektgebiets erklärt wurde.
Durch diese Weichenstellung blieb die Werftbrache an der Geeste in Lehe bis heute leer, und der wichtige Impuls für die Entwicklung dieses Stadtteils blieb aus. Am Neuen Hafen konnte sich dagegen das Luxusquartier ausbreiten. Es wird u.a. ergänzt durch die Ansiedlung von Institutionen wie Arbeitnehmerkammer und Verbraucherberatung, die ebenfalls aus Lehe abgezogen und dorthin verlegt wurden, obwohl sie in Lehe mehr gebraucht werden.
Die Folgen dieses (an den falschen Ort umgelenkten) Impulsprojekts können in Lehe heute besichtigt werden.
Wer einen Rundgang durch das Quartier zwischen Hafenstraße, Körnerstraße und Rickmersstraße macht, wird ohne Probleme bemerken, dass es hier trotz aller lobenswerten Bemühungen immer weiter abwärts gegangen ist – im Gegensatz zu der auch von mir häufig geäußerten Hoffnung, nun müsse doch langsam der Tiefpunkt der Entwicklung erreicht sein.
Ohne es abschließend beweisen zu können, befürchte ich nach meinen Beobachtungen, dass es so schlimm noch nie gewesen ist. Ich sage dazu ausdrücklich: Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, falls das möglich sein sollte.
Wer diese (in unterschiedlichem Sinn negativen) Entwicklungen am Neuen Hafen und in Lehe nicht gedanklich zusammenbringt, verfehlt meiner Ansicht nach einen zentralen Punkt der Bremerhavener Stadtentwicklung.
Und es bleibt ein Verdienst der großen Koalition unter Federführung eines SPD-Oberbürgermeisters: Der in Lehe dringend benötigte soziale Impuls mit Hilfe von Geldern der Europäischen Union wurde missbraucht zum Aufbau eines Luxusquartiers in der Innenstadt.
Weitere Anmerkung: Unter der Überschrift „Die Leere glitzert golden“ beschäftigt sich Laura Weissmüller in der Süddeutschen Zeitung vom 29. November 2013 mit der städtischen Entwicklung Zürichs. Dabei werden allgemeine Anmerkungen zur Stadtentwicklung gemacht, die ich bemerkenswert finde.
„Die Marktlogik kennt keine soziales Gewissen“, lautet ein Kernsatz, der auf die Kritik einer „neoliberalen Stadtentwicklung“ zielt, „die nur auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist“. Sie basiere auf einer „Trennung durch den Quadratmeterpreis“ und produziere einen „sozialen Sprengstoff, der sich da gerade in die Innenstädte einbetoniert“.
Dagegen setzt die Autorin diesen Gedanken: „Was es braucht, sind neue Ideen für eine sozial gerechtere, aber auch zukunftsfähige Stadt.“
Und: „Anders als in der freien Marktwirtschaft muss sich in einer gelungenen Stadtplanung ein soziales Gewissen widerspiegeln.“ Wenn die öffentliche Hand nicht vorschreibe, „dass auf einem Areal zu einem gewissen Anteil auch günstiger Wohnraum entstehen soll oder Gewerbeflächen für Kleinunternehmer, dann wird die Immobilienwirtschaft beides verdrängen“.
Wer behauptet, die von Laura Weissmüller geforderten „neuen Ideen für eine sozial gerechtere Stadt“ ließen sich in der (angeblich neuen) Bremerhavener Stadtentwicklung am (ebenfalls nicht ganz neuen) Neuen Hafen ablesen, der müsste sich in die Kategorie „Spinner“ oder „Traumtänzer“ einsortieren lassen.
Oder?
Seestadtpresse Bremerhaven – Das heutige Israel wird oft von gutwilligen Menschen in aller Welt gegen jede Kritik an der Politik des Landes verteidigt. Dafür gibt es gute historische Gründe.
Aber es wird leicht übersehen, dass Israel heute von einer in Teilen rechtsradikalen Regierung regiert wird und dass im Land ein Rassismus grassiert, den sich die meisten dieser gutwilligen Verteidiger des Landes kaum vorstellen können – und vielleicht auch nicht klarmachen wollen.
Eine Reihe von Beispielen für diesen unerträglichen Rassismus im israelischen Alltag liefert ein Film, den die US-amerikanische Zeitschrift The Nation über >>>Youtube publiziert hat.
Auch die Webseite >>>„Jews for Justice for Palestinians“ berichtet regelmäßig über diese düstere Seite des heutigen Israel.
Wer das rechtsradikale und rassistische Israel verteidigen will, der muss das auch deutlich sagen.
Wer das nicht will, findet in Israel viele Menschen und Bewegungen, die sich mit großem Mut gegen das Abgleiten des Landes in Rechtsradikalismus und Rassismus zur Wehr setzen.
Diese Menschen verdienen wirklich unsere politische Unterstützung.
Seestadtpresse Bremerhaven – Der großartige Dichter Theodor Fontane war durchaus ein Bewunderer einzelner Persönlichkeiten des märkischen Adels. Gleichwohl hat er sich seine kritische Grundhaltung zu allem gesellschaftlichen Geschehen stets bewahrt, und so attestiert er einmal dem Adel seiner Zeit eine „Mischung von Unverstand und brutalem Egoismus“.
Genau das scheint mir ein Kernpunkt der Haltung von Oberklassen aller Zeiten zu sein, besonders wenn ihre Position ins Rutschen oder Wackeln zu geraten droht.
Die Wohlhabenden und Reichen können und wollen kein Verständnis dafür entwickeln, was in der Gesellschaft außerhalb ihrer eigenen Kreise gerade abläuft.
Denn eines steht als innerer Leitstern über allen Äußerungen und Verhaltensweisen der reichen und superreichen Leute – ihr schnöder Eigennutz – „diese Mischung von Unverstand und brutalem Egoismus“.
Seestadtpresse Bremerhaven – Das Thema „Radfahren in Bremerhaven“ ist in diesem Blog >>>schon mehrfach behandelt worden, und im Moment sieht es auch nicht so aus, als wenn der Stoff dafür irgendwann auch nur spürbar weniger werden sollte.
Nehmen wir diesen traurigen Anblick an der Auffahrt zum Geestedeich. Da steht eine Sperre mitten auf dem Weg, erzwingt umständliches Gekurve, und ich kann mir nicht denken, dass irgendjemand dafür auch nur einen einzigen vernünftigen Grund nennen könnte.
Diese Auffahrt liegt westlich der Stresemannstraße etwa auf der Höhe Wiesenstraße und ermöglicht eine (zugegeben: nicht besonders lange) Radfahrt ohne lärmenden Autoverkehr.
An eine weitere Stelle an der Stresemannstraße möchte ich noch einmal ausdrücklich erinnern. Das ist die Geestebrücke, die von Radfahrern auf der westlichen Seite in nördlicher Richtung nicht befahren werden darf, wie >>>an dieser Stelle gezeigt und erläutert wird.
Eine solche Freigabe wäre aber sinnvoll, denn ein Radfahrer kann (wie oben gezeigt) aus Richtung Süden sehr schön auf dem ruhigen Geestedeich parallel zur Stresemannstraße fahren. Er überquert dann die Abbiegespur der Grimsbystraße und müsste nur noch die Geestebrücke überqueren, um wieder nach links abzubiegen und weiter auf einem ruhigen Weg an der Geeste entlang in Richtung Lehe-Zentrum zu gelangen.
Dieses unsinnige Verbotsschild für Radfahrer verhindert seit vielen Jahren einen sinnvollen Radweg, zumal auf der Geestebrücke nur sehr selten Fußgänger unterwegs sind und daher die Breite des Wegs eine Sperrung absolut nicht möglich macht.
Und warum passiert nichts? Weil die heimischen Verkehrsexperten offensichtlich mit der Autofahrerbrille auf der Nase an ihren Planungen herum rackern und für die übrigen Verkehrsteilnehmer kaum noch Zeit haben…
Seestadtpresse Bremerhaven – Das Bremerhavener Wohnquartier rund um die Scharnhorststraße wird aktuell durch eine kleine Ausstellung (Innenhof Bürger 175) in Verbindung mit zwei Veranstaltungen ins Licht gerückt – eine sehr lobenswerte Initiative der Städtischen Wohnungsgesellschaft (Stäwog) und des Stadtplanungsamts in Zusammenarbeit mit klugen Leuten wie dem Kunstvereinsvorsitzenden und Historiker Kai Kähler und dem Kunsthistoriker Uwe Schwartz. Auch die >>>Nordsee-Zeitung berichtete kürzlich darüber.
Die Ausstellung lenkt den Blick auf eine ganze Reihe interessanter Aspekte der Bremerhavener Stadtentwicklung, von denen viele eine nähere Betrachtung verdienten.
Ich greife hier den Gedanken der menschenfreundlichen und sozial ausgleichenden Stadtentwicklung unter Federführung der Kommune heraus.
Sehr nachdrücklich weist Kai Kähler darauf hin, dass im Quartier Scharnhorststraße „in Bremerhaven erstmals die Ideale einer idealistisch, humanistisch geprägten Reformbewegung zum Tragen“ kamen, „die Anfang des 20. Jahrhunderts die Abkehr von den gesundheitsgefährdenden Mietshäusern der Kaiserzeit einleiteten“.
Und weiter: „Hier begann 1913 die öffentliche Auseinandersetzung um eine qualitative Verbesserung des lokalen Wohnraums.“
Und wie war das möglich? „Hier wirkte die Stadt Bremerhaven seit 1925 selbst als Bauträger und Initiator, Planungs- und Bewilligungsbehörde, Darlehnsgeber und Einrichtungsberater. Hier übernahm sie als eine der ersten und wenigen Städte in Deutschland in vorbildlicher Weise nicht nur politisch, sondern auch sozial die Verantwortung für eine zentrale Errungenschaft der jungen Weimarer Republik, das Grundrecht auf gesunden Wohnraum.“ (Hervorhebungen DK). Dieses Grundrecht war in der Verfassung festgeschrieben und zeigte hier seine positiven Folgen.
Bauordnung und Bebauungsplan seien „Ausdruck einer humanistischen Reformbewegung“ geworden, schreibt Kähler. Durch klare Regelungen habe die Stadt der „investorenfreundlichen, auf maximalen Gewinn ausgelegten Bauweise… ein Ende“ gesetzt. So sei ein „Wandel in der Architektur und im Städtebau“ auf den Weg gebracht worden.
Gegenwärtig ist die „soziale Stadt“ wieder zu einem drängenden Thema geworden, und so plant nun auch die SPD für den kommenden Dienstag (30. April 2012, 17 Uhr in der theo) eine Veranstaltung zu diesem „Ziel unserer Städtebaupolitik“ (!).
„Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich für eine ausgeglichene räumliche Entwicklung in den Städten und Gemeinden ein“, heißt es im Einladungsschreiben. Und weiter: „Die Stadtentwicklungspolitik muss auf den Wandel in den Städten, auf die zunehmende soziale Spaltung…reagieren.“ (Hervorhebungen DK)
Bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang allerdings, dass in den vergangenen Jahren unter Federführung eines entschlossenen SPD-Oberbürgermeisters am Neuen Hafen geradezu ein Mahnmal der sozialen Spaltung unserer Stadt errichtet wurde, und zwar durch die öffentlich massiv geförderte Entwicklung eines exklusiven Luxusquartiers .
Solche städtebaulichen Aktivitäten charakterisierte jüngst der berühmte Architekt Hans Kollhoff (in einem anderen Zusammenhang) als Projekte, mit denen sich verarmte Kommunen gerne ins Rampenlicht katapultieren möchten.
Auf diese Weise solle mit großen und „auftrumpfenden Gesten der Selbstvermarktung“ von der Misere öffentlicher Haushalte abgelenkt werden. Getragen von der Hoffnung auf Teilhabe am „Aufmerksamkeitsgeschäft“ bekämen Politiker glänzende Augen, weil die Gelegenheiten zum Vorweisen physisch erfahrbarer Erfolge mittlerweile rar geworden seien.
Ab und zu halte ich ein paar Blicke und Rückblicke auf Zusammenhänge und Hintergründe für ganz hilfreich, weil dadurch Fehlentwicklungen in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit in den Blick geraten können.
Der Mensch vergisst und übersieht sonst so vieles…
Hinweis: Die Ausstellung „Erhaltungsgebiet Scharnhorststraße. Eine Ausstellung zur Geschichte und Zukunft des Quartiers“ ist im „Haus im Hof“ in der Bürgermeister-Smidt-Straße 175 jeweils dienstags von 15 bis 18 Uhr und donnerstags von 18 bis 21 Uhr zu besichtigen. Letzter Besichtigungstag ist der 16. Mai 2012. Weitere Informationen bietet das >>>Stadtplanungsamt an.
Seestadtpresse Bremerhaven – Ab und zu fällt mir ein Kuriosum auf, das meiner Meinung nach zu einem großen Teil vermieden werden könnte: Es geht um die Beschädigung von Wander- und Radwegen durch diejenigen, die eigentlich für die Pflege und Unterhaltung genau dieser Wege zuständig sind.
Selbstverständlich geht gelegentlich an der Benutzung eines Fahrzeugs kein Weg vorbei. Aber das darf der permanenten Arbeitsbeschaffung nicht Tür und Tor öffnen.
Folglich meine ich, dass über den Einsatz von Fahrzeugen bei der Instandhaltung von Fuß- und Radwegen viel sorgfältiger nachgedacht werden muss, als das bisher der Fall ist.
Denn nur durch Fußgänger und Radfahrer werden keine Wege beschädigt. Das können nur die motorisierten Reparateure in unbedachter Eigenarbeit zustande bringen.