Begründung für Bremerhavener Hafentunnel hinfällig – Es gibt kein Wachstum des Lkw-Verkehrs, im Gegenteil…


Seestadtpresse Bremerhaven – Nun ist die Katze seit fünf Tagen aus dem Sack, aber der Skandal wird in der Nordsee-Zeitung mit erstaunlicher Zurückhaltung behandelt. „Stillstand beim Lkw-Verkehr“ lautete die eigenartige NZ-Überschrift am 13. Oktober 2012 und erst in der Unterzeile findet sich der Kern der Botschaft: „Lastwagen-Aufkommen auf Cherbourger Straße nimmt seit fünf Jahren nicht zu“.

Selbstverständlich war das schon mit bloßem Auge zu erkennen, und der Skandal beim dreisten Durchziehen dieses überflüssigen Großbauprojekts ist >>>auch in der Seestadtpresse kritisiert worden.

Aber warum fehlt aktuell ein Blick auf die Basis der Hafentunnel-Planung, also auf die Verkehrsprognosen aus der Anfangszeit? Ich helfe nach: Am 6. November 2005 stand im Sonntagsjournal die folgende Bildunterschrift: „Schon jetzt rollen täglich 17.000 Fahrzeuge durch die Cherbourger Straße. Fast 4000 davon sind Lastkraftwagen. Tendenz: Stark steigend.“

Als die Wirtschaftsförderer der BIS im Jahre 2007 ihre Verkehrsanalyse präsentierten („fundierte Datenbasis“), war im offiziellen >>>Fazit dieser Verkehrsprognose folgendes zu lesen: „Wesentliche Verkehrszuwächse der Hafenverkehre bis 2012“ – „Dringender Handlungsbedarf“.

Noch ein Beispiel aus meinem Archiv: Da finde ich eine gemeinsame Pressemitteilung von BLG, Eurogate, NTB und MSCGate vom 12. Juli 2007. Darin wird als Begründung für den Tunnel angeführt, es nehme „im Zuge der anhaltend zweistelligen Wachstumsraten bei Containern und Autos auch der Lkw-Verkehr entsprechend weiter zu und werde sich in weniger als 10 Jahren verdoppeln„.

Von diesem Zeitpunkt der angeblichen Verdopplung sind wir aktuell nur noch zwei oder drei Jahre entfernt.

Die Bremerhavener Industrie- und Handelskammer schreibt in einer Mitteilung am 25. Januar 2006, die Lkw-Verkehre würden „weiter deutlich zunehmen. Schon heute ist die Cherbourger Straße ein problematischer Engpass“.

Und was ist im Gegensatz zu diesen Unsinnsprognosen tatsächlich passiert? Nicht einmal die Behauptung vom angeblichen „Stillstand beim Lkw-Verkehr“ hält der Überprüfung stand. Denn im Mai 2012 sind laut Nordsee-Zeitung „bis zu 2200 Lkw“ über die Cherbourger Straße gerollt.

Ist das wirklich „kaum ein Unterschied“ zu den 2006 genannten 3900 Lkw täglich? Es ist erstaunlich, dass die Nordsee-Zeitung ihr eigenes Archiv so wenig nutzt.

Und all diese eindeutig falschen Behauptungen liefern bis heute die Begründung für das Riesen-Verkehrsprojekt Hafentunnel Bremerhaven!

Und obwohl die Finanzierung der Gesamtkosten, die von den Tunnel-Kritikern auf insgesamt 460 Millionen Euro geschätzt werden (offiziell ist immer „nur“ von mehr als 170 Millionen Euro die Rede, weil Teile der Finanzierung sowie absehbare Kostensteigerungen ausgeblendet werden!), noch längst nicht gesichert ist, werden Schritt für Schritt Fakten geschaffen, damit am Ende behauptet werden kann, nun sei ein Stopp des Großprojekts nicht mehr möglich.

Es ist übrigens nicht verwunderlich, dass es bisher zu den lange zurück gehaltenen Ergebnissen der Verkehrszählung keine offizielle Presseerklärung des Magistrats gibt.

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2 Responses to Begründung für Bremerhavener Hafentunnel hinfällig – Es gibt kein Wachstum des Lkw-Verkehrs, im Gegenteil…

  1. juwi sagt:

    Würde der Hafen-Verkehr tatsächlich in dem Maße zunehmen, wie es damals prognostiziert wurde, dann würde die Kapazität des Tunnel wohl ohnehin schon bald nach seiner Fertigstellung nicht mehr ausreichen.

    Sollten die Container-Frachter aber noch größer werden, als sie heute schon sind, dann würde es mich nicht wundern, wenn sich der Container-Umschlag mehr und mehr von Bremerhaven und Hamburg nach Wilhelmshaven verschieben würde. Wenn der Tunnel aufgrund der Abnahme des Lkw-Verkehrs jetzt schon keinen Sinn mehr macht, dann würde er er dann ohnehin überflüssig sein.

    So oder so ist es meiner Ansicht nach Blödsinn, des Geld im Untergrund der Hafenzufahrt zu versenken.

    Ein weiterer Aspekt sind die zu Ende gehenden Ölresourcen und die Notwendigkeit, die Emissionen aus fossilen Energieträgern schnellstmöglich einzustellen – also auch den dieselgebundenen Lkw-Verkehr. Andernfalls wäre die Klimakatastrophe vorprogrammiert.

    Ich kann mir heute keinen geeigneten Antrieb für zigtausende Lkws vorstellen, der in naher Zukunft die heutigen leistungsstarken Dieselmotoren ersetzen könnte. Deshalb wird es neben der „Energiewende“ auch einen Umbau der Verkehrssysteme geben müssen.

    Die größten Chancen bietet meines Erachtens eine massive Verlagerung der Gütertransporte von der Straße auf die Schiene. Deshalb wäre es besser, das Geld für den Tunnel, ebenso wie das für andere Straßenbauprojekte, in die Erhöhung der Kapatizäten des Schienennetzes zu investieren.

    Ich fürchte allerdings, dass die entsprechenden Einsichten bei den politisch Verantwortlichen und die notwendigen Maßnahmen für den Umbau der Verkehrssysteme wieder einmal viel zu spät einsetzen werden.

    Und du hast natürlich Recht: Der gegenüber den 2006 genannten 3900 Lkw um 44 Prozent geringere Lkw-Verkehr auf der Cherbourger Straße ist ein deutlicher Unterschied!

  2. […] dieser verbale Eiertanz? Wie in der >>>Seestadtpresse vom 18. Oktober 2012 zusammengefasst, wurden laut Nordsee-Zeitung im Mai 2012 “bis zu 2200 Lkw” gemessen, […]

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