Seestadtpresse Bremerhaven – Wer mit dem Fahrrad in Bremerhaven unterwegs ist, bewegt sich etwa im Vergleich zum Auto auf angenehmere Art und Weise von hier nach da und handelt zudem auch noch ökologisch verantwortlich.
Allerdings muss dieser Mensch Unannehmlichkeiten und Belästigungen in Kauf nehmen, die bei größerem Verständnis der politisch Verantwortlichen und der Stadtverwaltung vermieden werden könnten und sollten. Schließlich wird dadurch ein bemerkenswerter Anteil aller Wege stadtverträglich bewältigt.
Wer diese Entwicklung fortsetzen will, muss mit der jahrzehntelangen Vorrangstellung des Autoverkehrs Schluss machen. Das hat nichts mit Autofeindlichkeit oder Nostalgie, sondern nur mit Vernunft und Augenmaß zu tun.
Erfahrungen beim Radfahren sollten folglich die Verkehrspolitik in Bremerhaven beeinflussen – das wird an dieser Stelle immer wieder mal illustriert.
Wer beispielsweise mit einem ebenfalls radelnden Kind unterwegs ist, bemerkt sehr schnell einen entscheidenden Mangel unseres Radwegenetzes – das Fehlen sicherer und durchlaufender Wege für Radfahrer.
Statt dessen findet man kurioses Stückwerk allerorten.
Wir kommen aus Richtung Süden auf dem Geestedeich hinter der Marineortungsschule und wollen die Geestebrücke im Verlauf der Stresemannstraße überqueren. Gleich nördlich der Brücke gibt es nämlich in Richtung Lehe eine Fortsetzung des Weges zwischen der neuen Eishalle und der Geeste.
Aber was sieht der Radfahrer auf der Südseite der Geestebrücke? Ein völlig überflüssiges Verbotsschild – überflüssig, weil der Fahrradweg wegen geringer Fußgängerzahlen breit genug für beide Richtungen ist.
Das Foto stammt aus dem Jahre 2003. Mindestens seit dieser Zeit gibt es hier also trotz mehrfacher Kritik eine überflüssige Unterbrechung eines einigermaßen glatt durchlaufenden und sicheren Radwegs.
Selbstverständlich: Man könnte an dieser Stelle auch unter der Brücke auf die andere Straßenseite wechseln und nach einigem Gekurve auf der anderen Seite die Brücke auf der richtigen Straßenseite überqueren, um dann hinter der Brücke wieder nach unten zu fahren und erneut die Straßenseite unterhalb der Brücke zu wechseln – ein dreimal so langer Zickzackweg mit Gefälle und Steigungen, der für Kinder schwierig zu bewältigen ist.
Aber genau das meinte ich, als ich beim Blick auf Bremerhavener Radwege vom kuriosen Stückwerk allerorten sprach…
Ja, das Fahren mit dem Fahrrad ist im Vergleich zum Autofahren für sehr viele Menschen mit einer positiven Gemütsänderung verbunden. Der Trend zum Verzicht auf das Automobil ist auch in Bremerhaven schon in homöopathischen Dosen zu bemerken. Leider nutzen hier erst ca. 9 % das Fahrrad für die täglichen Fahrten (Bremen ca. 25 %), was wahrscheinlich mit der allgemein desolaten Infrastruktur (siehe NZ Thema Radwegfallen) und dem sehr schlechten Images des Radfahrens zusammenhängt (siehe regelmäßige Polizeikontrollen und -mitteilungen im Frühjahr und Herbst und siehe Thema Freigabe der Fußgängerzone).
Fakt ist, dass neu erstellte Radverkehrsanlagen zum einen nicht sinnvoll an den Altbestand angeschlossen werden und/oder zum anderen erhebliche Komfort- und Sicherheitsmängel aufweisen. Zu bestaunen ist dies z. B. in der Georgstraße, der Wurster Straße, Elbestraße und nun auch in der Schiffdorfer Chaussee. Alles Straßen, die für viel Steuergeld saniert wurden/werden und bei denen immer die gleichen Fehler gemacht werden. Unverständlich ist es auch, dass diese fachlichen Fehler trotz der Eingaben – z. B. des adfc – weiter umgesetzt werden. Hier muss die Vernunft immer noch dem Gedankengut der 70er Jahre weichen, in denen die autogerechte Stadt propagiert wurde. Da Herr Holm (Baustadtrat) beruflich in dieser Zeit geprägt wurde, können wir wohl erst mit seinem Ausscheiden aus dem Amt mit einer intelligenteren Verkehrspolitik rechnen.
Was hier aber noch erwähnt werden muss, ist der Hinweis auf nationale und internationale Studien der verschiedenen relevanten Institutionen, die alle (!) auf die höhere Gefährdung der Radfahrer AUF Radwegen hinweisen (siehe z. B. http://de.wikipedia.org/wiki/Radverkehrsanlage ). Radwege und Sicherheit sind Begriffe, die sich ausschließen. Radwege werden gebaut, weil die Bürger sich auf ihnen sicherer FÜHLEN und nicht weil sie dort sicherer sind. Eine wirkliche Verbesserung der Verkehrssicherheit kann man nur mit dem Mischverkehr (Rad und Kfz) auf der Fahrbahn bei moderaten Geschwindigkeiten erreichen. Alles andere ist ein Herummurksen an den Symptomen und nicht an der Ursache für gefährliche Situationen im Straßenverkehr.
Ich bin kein Freund von der die Radfahrern gefährdende Separation auf Radverkehrsanlagen, aber solange die Bürger so etwas wünschen, haben sie meiner Meinung nach ein Recht auf die ungeteilte Aufmerksamkeit der Mitarbeiter im Planungsbüro bei der Erstellung dieser Wege und auf die Bereitstellung der dafür nötigen finanziellen Mittel. Behelfswege und Minimallösungen, erstellt ohne die Beachtung der Erkenntnisse der Unfallforschung und ohne den „gesunden Menschenverstand“,sollte es eigentlich nicht mehr geben. Hoffentlich können sich die GRÜNEN bei diesem Thema sinnvoll positionieren.
Ich habe hier einen Artikel, ebenfalls aus dem Jahre 2003 (26.03.) der NZ vor mir liegen. Titel:
Radler geradeaus geschickt, Neue Verkehrsführung Ecke Lange Straße / Hafenstraße in der Kritik
Der Kommentar des Autoren: Dilemma gleich mitbeschlossen! Verschlimmbesserung(!!) mit Steuergeldern- anders lässt sich die Verkehrsführung in der Hafenstraßeim Einmündungsbereich der Langen Straße nicht charakterisieren.
Zuerst werden dort reihenweise Parkplätze geopfert für eine kurze Rechtsabbiegespur, die überflüssig ist. Durch sie wird kein Stau entkrampft, im Gegenteil. Die neue Radlerspur vergrößert das Problem. Sie verunsichert Auto- und Radfahrer. Das hemmt den Verkehrsfluss und produziert Risiken. Gut,dass die Politik Einsicht zeigt und gegensteuern möchte. Schließlich hat sie das Dlilemma beschlossen.
M.W. haben sich bis heute ( 26.08.2011) in diesem Bereich keine nennenswerten Unfälle zwischen Auto- und Radfahren ereignet. Man kann dem Baustadtrat Holm in diesen Falle uneingeschränkt zustimmen, der meinte: (Zitat) Die Verkehrsführung sei gewöhnungsbedürftig. Ziel sei es, dass die Radfahrer permanent in Blickfeld der Autofahrer seien. Dadurch werde man ein Stück mehr Verkehrssicherheit erreichen. Dagegen meinte der Fahrschullehrer und damalige Fraktionschef der CDU Bödeker: Die Verkehrsführung sei nicht funktionsfähig.
Mein Fazit zu diesem Thema: Es gibt in der Tat noch viel zu tun für bessere, bequemere und sichere Radwege. Was vermeintlich unsicher ist, stellt sich in der Praxis oftmals anders da. Umgekehrt führen sichere Radwege, die von Radfahrern “ links“ liegen gelassen werden, in dem sie ( die Radfahrer) die Fußgängerwege befahren, zur Gefährdung und unsicherem Verhalten von Fußgänger/Innen.
In der Zeit, in der ich diese Zeilen verfasse, sind an meinem Büro 6 Radfahrer, davon 5 in falscher Richtung auf dem Bürgersteig gefahren.
Wo fangen wir an?
C. Uhde
In der Tat ist es Herrn Holm positiv anzurechnen, dass er den Planern diese Radfahrstreifen hat durchgehen lassen. Radfahrstreifen sind allemal besser als Hochbordradwege.
Wo fangen wir an? Nun, wir könnten mit allgemeiner Aufklärung beginnen:
Warum fahren so viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule? Warum verbieten einige Schulen (z. B. F.-Husmann-Schule), den Kindern mit dem Rad zu fahren und überschreiten dort ihre Befugnisse? Warum macht die Polizei den Kindern so viel Angst bei der Verkehrserziehung und der Radfahrerprüfung? Warum glauben viele Autofahrer, dass Radler vorhandene Radwege benutzen müssen? Warum planen die Verkehrsplaner oft so einen hanebüchenen Unsinn? Warum vergessen regeltreue Autofahrer alle Verkehrsregeln, so bald sie auf einem Fahrrad sitzen? Warum scheinen die meisten Radfahrer zu denken, sie seien nur schnellere Fußgänger? Warum schreiben einige Mitarbeiter der NZ immer so inkompetente Artikel (zuletzt Frau Maffiotte zum Thema Schutzstreifen in der Rickmersstr. 2011)? Warum gibt es diese Werteabwegung (Autofahrer sind wertvoller als Radfahrer) der Verkehrsteilnehmer aufgrund der Wahl ihres Verkehrsmittels?
Wer sich diese Fragen beantwortet, kann erkennen, dass das Bild vom Radfahrer/Radfahren in unserer Gesellschaft von Angst und Unkenntnis geprägt ist. Leider macht sich kaum einer die Mühe, die alten Dogmen mal in Frage zu stellen.
Ich würde hier ansetzen.
C. Peters